Kennen Sie die Herausforderung, Nein zu sagen? Manchmal ist es wirklich schwer, die vielfältigen Möglichkeiten und Chancen zu priorisieren, so dass wir uns nicht verzetteln und verlieren. Und so wie jeder einzelne von uns klare Grenzen setzen muss, geht es Unternehmen auch. Was bedeutet die Anwendung der Idee der „Abgrenzung“ auf den Geschäftsalltag? Gerade in Zeiten der Veränderung ist die Abgrenzungsfähigkeit von Unternehmen erfolgsentscheidend.

Damit Veränderungen gelingen, dürfen wir uns nicht zu viel auf einmal vornehmen. Es ist herausfordernd zu erkennen, welches Pensum an Veränderung eine Organisation bewältigen kann. Bisweilen kann die Abgrenzung oder Beschränkung auch Teil der Lösung für einen Change sein, indem eine Fokussierung im Portfolio und eine Bündelung der Kräfte verbesserte Ergebnisse liefern.

Die Verwendung des Begriffs „Abgrenzung“ im Zusammenhang mit Veränderungsvorhaben ist ungewöhnlich. Denn meistens zielen Veränderungen auf Wachstum und eine Ausweitung bisheriger Grenzen ab. Mit dem Begriff der Abgrenzung möchte ich anregen darüber nachzudenken, wann es sinnvoll ist, alte Grenzen zu verschieben und ob eine engere Begrenzung zu einer Stärkung des Unternehmens führen kann.

In seiner Dissertation schreibt Thilo Münstermann:
„Die systemische Change Lehre besagt, dass nicht zu viel auf einmal verändert werden sollte (…), sondern sensible Steuerungsgrößen – sog. kritische oder systemrelevante Variablen (…) – identifiziert werden müssen. Jede Veränderung beeinflusst dabei auch in der Regel alle anderen Gestaltungselemente der Organisation. Die systemische Veränderung sieht vor, nach Möglichkeit an wenigen Komponenten gezielt etwas zu verändern, vorher zu überlegen, wie dies die anderen Komponenten (Teilsysteme) beeinflusst und dann die tatsächliche Wirkung zu beobachten, also eine Rückführungsschleife vorzusehen.

Münstermann, T.: Kulturgerechte Gestaltung von betrieblichen Veränderungsprojekten mit einem unternehmenskybernetischen Ansatz,
BOD Verlag Norderstedt 2011. (zugleich Dissertation RWTH Aachen, 2011)

Wenn ich von Abgrenzung spreche, dann geht es mir im übertragenen Sinne um ein Abstecken des Territoriums, das Sie für Ihre Organisation beanspruchen. Der Bereich innerhalb dieser Grenzen bildet Ihr Arbeitsfeld. Hier liegt Ihre Expertise und entstehen Ihre Produkte oder Dienstleistungen. An den Grenzübergängen findet die Zusammenarbeit mit Zulieferern und Kooperationspartnern statt. Sie ergänzen Ihr Angebot, ohne Sie zu bedrohen. Jenseits Ihrer Grenzen agieren Wettbewerber und andere Branchen.

Wie Abgrenzung bei der Klärung des Status Quo hilft.

Der erste Schritt in Richtung Change ist eine Analyse des Status Quo. In meinem Artikel „Fünf Schritte, damit Ihre Lösung zum Problem passt“ finden Sie hilfreiche Leitfragen für die Diagose.

Sie könnten eine Landkarte für Ihr Portfolio erstellen. Worin bestehen ihre Kernleistungen? Welche Absatzmärkte und -Kanäle nutzen Sie? Welche Grenzen funktionieren und sind stimmig? Wo können Anpassungen Ihr Leben leichter machen? Und welche Grenzen sind bedroht, werden durch wen angegriffen und schwächen das Unternehmen?

Wie Sie durch Abgrenzung ihre Marktposition stärken.

Wie groß das Revier sein darf, das Sie für Ihre Organisation beanspruchen, bestimmen Sie selbst. Doch Vorsicht: wenn Sie die Grenzen zu weit setzen, könnte die Lage unübersichtlich werden. Haben Sie alle Wettbewerber im Blick? Kennen Sie die technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen aller betroffenen Bereiche? Reicht Ihre (Innovations-)Kraft aus, um alle Nischen zu bespielen? Organisationen, die ihre Grenzen zu weit setzen, verzetteln sich, ihre Marke verschwimmt. Eine Fokussierung auf starke und entwicklungsfähige Produkte schärft das Profil eines Unternehmens in einem enger begrenzten Terrain.

Grenzen verschieben bedeutet neue Märkte erschließen.

Wenn Sie jedoch Ihre Grenzen zu eng ziehen, dann bleiben Sie hinter Ihren Möglichkeiten zurück. Sie könnten beispielsweise mit Produktinnovationen, neuen Absatzmärkten oder durch die Digitalisierung Ihrer Geschäftsprozesse ertragreiches Neuland gewinnen. Sind die Grenzen zu eng gesteckt, kommt Langeweile auf und wertvolle Potenziale bleiben ungenutzt. Talentierte Mitarbeiter könnten das Interesse verlieren und sich nach neuen Herausforderungen außerhalb der Organisation umsehen.

Woran Unternehmen kranken, die sich mit Abgrenzung schwer tun.

Wenn Grenzen zu weit gesteckt sind, laufen Unternehmen Gefahr, ihre Kraft zu vergeuden. So, wie zum Beispiel ein kleines Werbebudget schnell ohne nennenswerte Resonanz verpuffen kann, wenn es zu weit gestreut wird. Die grenzenlose Vielfalt der Möglichkeiten führt zu einer Überforderung. Trotz hohem Aufwand bleiben die Erträge gering.

Unternehmen mit Abgrenzungsproblemen überfordern ihre Mitarbeiter dauerhaft. Ein Blick auf die Entwicklung der Krankenstände liefert ein wichtiges Indiz für das Wohlbefinden Ihrer Organisation.

Mitarbeiter, die an ihrer Belastungsgrenze arbeiten, werden Schwierigkeiten haben, sich Veränderungsoffensiven zu öffnen. Hier ist es besonders wichtig, dass Veränderungen nicht „on top“ geleistet werden müssen, sondern notwendige Ressourcen zur Verfügung stehen.

Abgrenzung ist das Instrument für Unternehmen, um sich selbst sinnvolle Grenzen zu setzen, die ein kraftvolles und gesundes Agieren ermöglichen. Changevorhaben, die die Potenziale einer Organisation ausschöpfen ohne diese zu erschöpfen, haben optimale Erfolgsaussichten.

Könnte Ihr geplantes Changevorhaben von Abgrenzung profitieren?

Wenn Sie der Artikel inspieriert, freue ich mich über Ihre Meinungen und Kommentare! Teilen Sie ihn auch in Ihren sozialen Netzen und mit Ihren Kollegen.

Herzlichst Verena Czerny

Newsletter bestellen

Möchten Sie auch in Zukunft keinen neuen Beitrag bei Clever Change verpassen?

Abonnieren Sie meinen kostenlosen Newsletter.
Ihre Einwilligung zur Zusendung des Newsletters können Sie jederzeit per E-Mail an Verena Czerny oder durch entsprechenden Klick am Ende jedes Newsletters widerrufen. Weitere Informationen zu unseren Datenschutzhinweisen.
Newsletter bestellen